Podiumsdiskussion am Dienstag, 9.4.24
Wartburg Brauerei Eisenach, Wartburgallee 25, Schalander
Der Umgang mit den Menschen, die in immer größerer Zahl ihre Heimat verlassen und auch nach Deutschland kommen, bewegt die Gemüter wie kaum ein anderes Thema.
Die Podiumsdiskussion am 9.4.24 sollte nicht nur ein Beitrag zur Versachlichung der Debatte sein, sondern vor allem auch Wege aufzeigen, wie Integration besser gelingen und in der Breite als Bereicherung erlebt werden kann.
Rede und Antwort standen dazu an dem Abend
der Integrationsmanager Ashkan Nekoueian vom Landratsamt Wartburgkreis (leider kurzfristig verhindert),
die Migrationsbeauftragte Nicole Päsler aus Eisenach,
die Migrationsberaterin Alexandra Hemmerle von der Diakonie,
der Schulsozialarbeiter Roberto Säckl von der Caritas,
der Unternehmer Shpetim Alaj (per Videostatement) und
der Bürgerrechtler Ralf-Uwe Beck.
Moderiert wurde die Veranstaltung von der Journalistin Ruth Breer.
Integration – kommen wir von der Krise zur Chance?
Die vom Eine Welt Verein Eisenach e.V. organisierte Podiumsdiskussion „Integration – von der Krise zur Chance“ am 9.4.24 war durch die in den Medien viel diskutierte Veröffentlichung der neusten Kriminalstatistik an Aktualität nicht zu übertreffen. Entsprechend vielschichtig war die Diskussion in der Eisenacher Brauerei.
Der bekannte Eisenacher Shpetim Alaj, manchmal als „Muster-Migrant“ bezeichnet, identifizierte beiderseitige Offenheit, unterstützende Kontakte und Bildung als Schlüssel zu seiner erfolgreichen Integration. Passend dazu berichteten sowohl der Schulsozialarbeiter Roberto Säckl, wie auch mehrere Lehrerinnen und Lehrer von nicht akzeptablen Zuständen im Unterricht. Wenn sich z.B. die Zahl der Kinder in der Mosewaldschule verdoppelt, aber die Lehrerzahl gleich bleibt, seien Probleme vorprogrammiert. Hier sei die Politik gefordert, so die Teilnehmer, für eine ausreichende personelle Basis zu sorgen.
Betroffen machten Schilderungen von Erfahrungen mit der Ausländerbehörde: unwirsche Antworten, wegen derer der Betroffene sagt: „Da gehe ich nicht mehr hin.“, Formulare, die ncht einmal für Einheimische verständlich sind und eine Online-Terminvergabe, die an Glücksspiel erinnert. Auch die Bearbeitungszeiten wurden kritisiert. So warte ein Antragsteller seit Ende 2022 vergeblich auf eine Antwort. Der Verweis auf Überlastung in den Ämtern und Erfahrungen mit unangemessenem Verhalten von Asylsuchenden ließ manches verstehen. Dennoch müsse dringend an solchen Punkten gearbeitet werden – stehen sie doch einer konstruktiven Willkommenskultur und gelingender Integration entgegen.
Dass Flüchtlinge ins Gespräch mit Einheimischen kommen, dass es dazu ein Haus der Begegnung gibt, das wünscht sich auch Eisenachs Migrationsbeauftragte Nicole Päsler. Tanya Ebenau, Lehrerin an der Jakobschule, brachte daraufhin die Schulen als bereits vorhandene Orte der Begegnung der Kulturen ins Gespräch und warb wie auch Roberto Säckl um Menschen, die sich als Kontaktpersonen für Flüchtlingsfamilien zur Verfügung stellen.
Auf die Frage der Moderatorin Ruth Breer, welche Chancen von gelungener Integration die Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer sehen, beschrieben alle Gefragten übereinstimmend, wie bereichernd sie persönlich den Kontakt zu Menschen mit ausländischen Wurzeln und die entstandenen Freundschaften für ihr Leben erfahren. Der eigene Blick werde geweitet und das Leben interessanter. Die positiven Auswirkungen auf den Arbeitskräftemangel in Deutschland wurden dabei differenziert gesehen: so notwendig ausländische Fachkräfte inzwischen beispielsweise im Gesundheitswesen seien, so fragwürdig bleibe das Abschöpfen von teuer qualifizierten Spezialisten aus wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern.
Fazit des Abends: Integration ist kein Selbstläufer. Sie verlangt mehr von Staat und Gesellschaft, als bisher getan wird. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung waren sich in ihrer Bereitschaft dazu einig und fanden sich in einem von Ralf-Uwe Beck vorgebrachtem Zitat des Bürgermeisters von Palermo Leoluca Orlando wieder: Orlando unterscheidet nicht zwischen Flüchtlingen und Einheimischen, für ihn sind alle gleichermaßen Menschen. Mit Eugen Roth gesprochen: „Ein Mensch fühlt oft sich wie verwandelt, sobald man menschlich ihn behandelt.“ Sicher sinkt dadurch die Ausländerkriminalität nicht auf Null. Aber wer sich angenommen und angekommen fühlt, ist eher bereit, sich an die Spielregeln zu halten und die eigenen Möglichkeiten zum Wohle aller einzubringen. Diese Chance sollten wir nicht verspielen.